Lamentationen des Propheten Jeremia

Sonntag, 8. März 2020, 19 Uhr Ingolstadt, Barocksaal des Stadtmuseums, Auf der Schanz 45 ♦ Lamentationen des Propheten Jeremia von Joseph Hector Fiocco, Werke für Violoncello von Joseph Marie Dall’Abaco und Jean-Baptiste Barrière, Orgelwerke von Abraham van den KerckhovenSusanne Simenec, Sopran, Michail Uryvaev, Anna Zimre, Matthias Schick, Barockcello, Michael Eberth, Orgel

In den Klageliedern, einem Buch des alten Testaments beweint der Prophet Jeremia die Zerstörung der Stadt Jerusalem und des Tempels (586 v. Chr.) durch die Soldaten des Nebukadnezar, des Königs von Babel. Die Klagelieder bestehen aus 5 Büchern: 4 Lamentationen und einem Oratio-Gebet. Die ersten drei gehören seit dem frühen Mittelalter zur Liturgie der Karwoche, in der die Zerstörung Jerusalems als Sinnbild für das Leiden Christi beklagt wird. Die Klagen Jeremias haben mit ihrer direkten und hochemotionalen Sprache viele Komponisten der Renaissance und des Barock zu Vertonungen inspiriert. Die Texte der Klagelieder wurden im Versmaß der hebräischen Totenklage Qinot (קינינות) verfasst, die ersten vier als Akrostichon, einer Form, bei der die ersten Buchstaben der Strophen dem Verlauf des Alphabets entsprechen. Dieses Akrostichon ist ein Ausdruck der grenzenlosen allumfassenden Trauer, vergleichbar mit dem deutschen „von A bis Z“. Außerdem hatte diese Alphabetisierung der Versanfänge möglicherweise die Funktion der Gedächtnishilfe. Bei der Übertragung ins Lateinische sind die originalen Versformen verloren gegangen, die Lettern (Aleph, Beth, Gymel, etc…) aber erhalten geblieben. Diese wurden von den Komponisten immer mitvertont, und oft in mellismatischer Form, als eine Art ausgeschriebene Verzierung.

Die Rezitation der Lesungen wird mit den lateinischen Incipites: „De Lamentatione Jeremiae Prophetae“ = „Von der Wehklage des Propheten Jeremia“ oder „Incipit Oratio Jeremiae Prophetae“ =„Es beginnt die Rede des Propheten Jeremia“ eingeleitet und endet jeweils mit: „Jerusalem, Jerusalem, convertere ad Dominum Deum tuum“ = „Jerusalem, Jerusalem, wende dich zu deinem Herrn und Gott“. Die Vertonungen der Lamenationen (Leçons de ténèbres oder Lezioni) waren im 17. und 18. Jahrhundert außerordentlich beliebt und wurden oft auch außerhalb der Passionszeit und des kirchlichen Rahmens konzertant aufgeführt. Die Lamentationen, die heute zu hören sind, enstanden in Antwerpen 1732, wo J. H. Fiocco als Violinist und Chorleiter an der Kathedrale Unserer Lieben Frau 1732- 1737 wirkte.
Eine Besonderheit ist die Besetzung: zu der für monodische Lamentationen üblichen Continuobegleitung fügt der Komponist zwei konzertierende Celli hinzu. Wobei die erste Lamenation für Sopran, 2 Celli und Basso continuo komponiert ist, die zweite für Sopran, ein Cello und B.c., und die dritte wird lediglich vom Continuo begleitet. Diese Reduzierung der Besetzung ergibt den vom Komponisten gewollten Effekt und ist ein Hinweis dafür, dass eine Aufführung der drei Stücke nacheinander en bloc vom Komponisten erwünscht ist.

Die in der von uns verwendeten Ausgabe der Fiocco – Lamentationen und in unserem Programmheft abgedruckte deutsche Übersetzung entstammt der Augsburger Bibelausgabe von 1746. Die lateinisch – deutsche Ausgabe wurde vom Wessobrunner Benediktiner Thomas Aquinus Erhard (1675 – 1743) editiert und mehrfach herausgegeben. Die Übersetzung der Klagelieder fasziniert durch ihre direkte und unverblümte Sprache, die mit ihrer starken Ausdruckskraft ein Beispiel hochstehender barocker Dichtung darstellt.

(Text: Michail Uryvaev; Quellen: J. H. Fiocco Lamentationen, herausgegeben von Prof. Dr. Rudolf Ewerhart in Edmund Bieler Verlag Köln, 1962;
De lamentatione Jeremiae Prophetae Aspekte zur Entwicklung und Verbreitung der Lamentation im 18. Jahrhundert“ von Dr. Heike Blumenberg, UdK Berlin 2008;
Wikipedia (u.a.)