Münchner Kaleidoskop (I)

Sonntag, 4. Mai 2025, 15:30 Uhr ♦ Hochschule für Musik und Theater München, Arcisstraße 12, Großer Konzertsaal ♦ Münchner Kaleidoskop (I) ♦ Vokal- und Instrumentalmusik des 15. und 16. Jahrhunderts von Ludwig Senfl und aus der Buxheimer Tabulatur ♦ Studierende des Instituts für Historische Aufführungspraxis und des Instituts für Kirchenmusik
Leitung und Zusammenstellung: Prof. Michael Eberth

Wir kennen vier Arten von Orgeltabulaturen: Die ältere deutsche Orgeltabulatur (15. Jhdt. und erste Hälfte 16. Jhdt. – oberste Stimme in Mensuralnotation, alle weiteren Stimmen in Tonbuchstaben), die neuere deutsche Orgeltabulatur (ab ca. 1520 bis Anfang 18. Jhdt. – die Mensuralnoten der obersten Stimme sind nun auch durch Tonbuchstaben ersetzt), die spanische Zifferntabulatur (16. und Anfang 17. Jhdt. – in allen Stimmen werden die Töne durch Zahlen dargestellt. Dabei entsprechen die Zahlen 1 bis 7 den Tönen einer steigenden Tonleiter von f bis e) und die italienische Orgeltabulatur (ab 15. Jhdt. [Codex Faenza] – entspricht weitgehend unserem Claviersystem).
Nach letztem Forschungsstand ist die vermutlich in Nürnberg gesammelte, in den 1460iger Jahren in der Nordschweiz geschriebene und in der Kartause von Buxheim bei Memmingen entdeckte Buxheimer Tabulatur seit 1883 unter dem Namen Buxheimer Orgelbuch (Signaturen Mus.Ms. 3725, auch Cim. 352b) im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek. Es handelt sich um eine in älterer deutscher Orgeltabulatur geschriebene …Sammlung von 258 meist hochgradig verzierten Instrumentalversionen …von mehrstimmigen französischen und deutschen Liedsätzen, von mehrstimmigen geistlichen lateinischen Kompositionen und von mehrstimmigen Ausarbeitungen anderswo nur einstimmig vorliegender Melodien, darunter liturgische Einstimmigkeit ebenso wie Lieder und Tanzweisen…[1].
Da die Anzahl an Bearbeitungen weltlicher Vorlagen die der geistlichen bei weitem übertrifft, ist der dieser Quelle (und anderen) im 19. Jahrhundert verliehene Titel einer Orgeltabulatur unpräzise, wenn nicht gar irreführend. Auch wenn sich die meisten Tabulaturdrucke im Titel oder Vorwort tatsächlich an Organisten wenden, werden oft auch „Instrumentisten“ angesprochen. Ob als Alternative damit ein Clavichord, ein Cembalo, ein Clavicytherium, eine Harfe oder gar ein Ensemble aus Consortinstrumenten gemeint sein könnte, bleibt offen. Trotzdem hat sich die Bezeichnung „Orgeltabulatur“ etabliert.
Sieht man eine Tabulatur als ein einer Partitur ähnelndes synoptisches Speichermedium zur Notation von mehrstimmiger Musik, so fällt es leichter den Begriff Orgeltabulatur, wenn nicht zu verabschieden so doch wenigstens nur als eine von mehreren Möglichkeiten zu verwenden. Als Alternativen bieten sich an, entweder nur von Tabulatur (z.B. Turiner Tabulatur, Buxheimer Tabulatur), oder, wenn die Quelle Tasteninstrumenten zugeordnet werden soll, ähnlich dem englischen Terminus Keyboard-Tabulature, wenigstens von Tastentabulatur oder Claviertabulatur zu sprechen.
[1] Aus: Lorenz Welker, Buxheimer Orgelbuch https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Buxheimer_Orgelbuch

Programm

Conrad Paumann (1415 – 1473)
Redeuntes in mi (Bux 232)
(aus der Buxheimer Tabulatur, Bayerische Staatsbibliothek München, Mus.Ms. 3725, auch Cim. 352b; um 1460/70)

Gilles Binchois (1400 – 1460)
Dueil angoisseux (aus Ms. IVa24 Escorial B)
Dulongesux (Bux 59)

Anonymus
Annabasanna (Une fois avant amour, Bux 90)

Anonymus
Modocomor (Ma dulce amour Bux 81)

Gilles Binchois
Je loe amours (aus Ms. Oxford 223)
Jeloemors (Bux 16)

Johannes Bedyngham (um 1440)
O Rosa bella (Bux 39)

Paul Hofhaimer (1459 – 1537)
Tandernack
(aus der Tabulatur des Bonifacius Amerbach, Basel nach 1500)

Ludwig Senfl (1490 – 1543)
Im Meyen hört man die Hahnen kreen
(aus Der ander theil Teutscher Liedlein, Nürnberg, 1556)

Allein dein Huldt
(aus der Tabulatur des Clemens Hör, um 1550; Ms. Zürich, Zentralbibliothek, Z. XI. 301)

Ach Elslein, liebes Elselein
(aus Peter Schöffel, Fünff und sechzig teutscher Lieder , Straßburg s.d.)

Johanna Schumertl, Sopran
Vittorio Vanini, Tenor
Lin Ling, Renaissancetraversflöte
Sophie Esterbauer, Renaissancelaute
Birgit Stolzenburg, Dulce Melos
Veronika Sazonova, Vittorio Vanini, Marie Dumas, Milena Baroian, Olha Dotsenko, Eglè Rudokaite, Wei Lee, Michael Eberth; Clavicytherium